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Stadtzeitung Żmigród: Neues aus Bargteheide (2)


Christof Leidner hat aktuell wieder einen Artikel für die Stadtzeitung Żmigród geschrieben. Hier ist die deutsche Übersetzung.

Neues aus Bargteheide

Verehrte Damen und Herren, hier kommt der nächste Teil meiner Rubrik mit Schlaglichtern auf verschiedene größere und kleinere Ereignisse in Bargteheide, der deutschen Partnerstadt Żmigróds. Auf der Grundlage von Informationen aus der Lokalpresse und öffentlich zugänglichen Quellen möchte ich Ihnen laufend unser Leben, unsere Sorgen und Freuden hier in Bargteheide näherbringen. Und ich garantiere, dass ich das keinesfalls objektiv tun werde.

  • Unser Leben ist weiterhin unter dem starken Einfluss des Corona-Virus. In Deutschland heißt das Schlüsselwort zzt. Hygienekonzept [Deutsch im Original – C.L.]. Jeder, der sein Geschäft wieder aufnehmen möchte, muss so eine Hygienekonzeption vorlegen – vom Fitnessstudio bis zur Imbissbude. In der Regel sind das einfache Vorsichtsmaßnahmen, die ohnehin jedem sofort einleuchten, wie die Vermeidung von Menschenansammlungen, Abstand halten, Maske tragen und Handdesinfektion. Aber dadurch haben wir schon recht viel von unserem früheren Alltag wiedergewonnen, was für die Psyche wichtig ist. Wir können schon Sport treiben, ins Kino gehen und an Volkshochschulkursen teilnehmen. Die evangelische Kirchengemeinde organisiert sogar größere Kulturveranstaltungen, wie Konzerte und Poetry Slams unter freiem Himmel an der Kirche. Negative Folgen sind bislang ausgeblieben. Hoffen wir, dass das so bleibt, denn das Eis, auf dem wir tanzen, ist nicht nur glatt, es ist auch dünn.

  • Zu einer unkonventionellen Form des Protests gegen die Verwahrlosung der Straßen und deren erfolgloser Ausbesserung entschloss sich ein Bürger Bargteheides oder der näheren Umgebung. Bereits seit einiger Zeit kämpfte die Straßenmeisterei mit der Reparatur eines größeren Schlaglochs mitten auf einer Kreuzung. Und was tat der Schlingel? In einer nächtlichen Aktion pflanzte er in dieses Loch einen jungen Baum! Und zwar nicht irgendeinen, sondern einen in einer Baumschule gezogenen. Der Witz ist, dass es wahrscheinlich schwierig werden dürfte, den Grünguerilla zur Verantwortung zu ziehen. Das Loch war schließlich schon abgesichert und deshalb kam es zu keinerlei gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr.

  • Graffitis lösen in vielen Städten Kontroversen aus. Einige betrachten sie als Kunstform und Ausdrucksmittel der Jugendkultur, für andere sind sie einfach nur Sachbeschädigung. Auch in Bargteheide gehören sie zum Stadtbild. Das Jugendarbeitsteam hat sich mit diesem Thema auseinandergesetzt und ein künstlerisches Projekt für junge Leute unter dem Titel "Graffiti Party Bagdad-City" geplant (Bagdad bedeutet im lokalen Jugendslang Bargteheide). Vier Wände von öffentlichen Gebäuden (u. a. einer Sporthalle und des Kinos) werden freigegeben, um sie mit Graffiti und Muralen zu verzieren. Wenn auch die Versuchung der verbotenen Früchte nun fehlt, kann das Ergebnis vielleicht interessant sein.

  • Vor einigen Jahren war Bargteheide noch eine kommunalpolitische Idylle, die den Neid der Nachbarorte erregte. Die meisten Entscheidungen wurden nämlich einvernehmlich getroffen und die Diskussionen in den Ausschüssen verliefen ruhig und fast langweilig. Seit den letzten Kommunalwahlen haben die in der Öffentlichkeit emotional ausgetragenen politischen Kontroversen zugenommen. Und selbst die Bürgermeisterin blieb nicht von Kritik verschont. Jüngst ging sie in die Offensive und nahm in einem umfangreichen Zeitungsinterview zu den Vorwürfen Punkt für Punkt Stellung. Sie rief die Politiker dazu auf, sich auf das Wohl Bargteheides und seiner Bürgerinnen und Bürger zu konzentrieren und zu einer Kultur des Miteinanders zurückzukehren. Zumindest kann man feststellen, dass Bargteheide nicht an zu viel Harmonie erstickt ist und unsere lokale Demokratie lebt!

  • Am 28. Juni wehte vor dem Rathaus in Bargteheide die Regenbogen-Fahne. Dies war keineswegs eine Verschwörung. Schon vor zwei Jahren hatten zwei junge Politik-Aktivisten einen entsprechenden Antrag an einen Ausschuss der Stadtvertretung gestellt, um für Toleranz und Minderheitenschutz zu werben und sie bekamen grünes Licht für ihren Vorschlag. Ich muss zugeben, dass ich selbst nicht jede Forderung der LGBT-Bewegung unterstütze und die Vereinnahmung des Symbols des Regenbogens, der früher ganz allgemein für Hoffnung und Zuversicht stand, etwas bedauere. Jedoch halte ich es mit dem Voltaire zugeschriebenen Wort: "Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei äußern dürfen." Und alle, die sich vor einer imaginären Ideologie fürchten, kann ich beruhigen: diese Fahne hängt nur an einem Tag im Jahr. Und an den übrigen 364 kann man sich mit den Problemen der anderen Bürgerinnen und Bürgern befassen, die diskriminiert werden; z. B. denen von Behinderten, denen immer noch ein eigenständiger Zugang zu Zügen oder öffentlichen Gebäuden verwehrt wird.

  • Seit einiger Zeit ist in Bargteheide ein Trend zum Verkauf lokaler Produkte in Automaten zu beobachten. Großer Beliebtheit erfreut sich ein Eierautomat, den einer der örtlichen Landwirte im Stadtzentrum aufgestellt hat (für die Kunden sind dort auch Grillfleisch und Honig ständig verfügbar). Es sind Eier aus Freilandhaltung, d. h. der gesündesten Produktionsweise. Die Hühner werden nämlich auf einem Feld in einem mobilen Hühnerstall gehalten und sind deshalb, wie der Produzent versichert, sehr glücklich. Auf die Idee mit dem Automaten sind auch die Besitzer einer Blumenhandlung gekommen, die jetzt ihre Sträuße rund um die Uhr anbieten können. "Jetzt gibt es keine Ausreden mehr" lautet ihr Werbespruch. Wir sehen, dass selbst Kleinbetriebe den Herausforderungen großer Supermärkte, Handelszentren und des Internets gewachsen sein können, wenn sie nur kreativ sind. Wer nicht mit der Zeit geht, verschwindet mit der Zeit.

Ausgewählt, bearbeitet und kommentiert von Christof Leidner



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